Werk

»Der Messias, Erster Band«, Kopenhagen 1755 © Städtische Museen Quedlinburg
»Der Messias« Ein Cyclus von 14 Darstellungen gezeichnet von Heinrich Füger © Städtische Museen Quedlinburg
»Der Messias« Ein Cyclus von 14 Darstellungen gezeichnet von Heinrich Füger © Städtische Museen Quedlinburg
Band 1 der historisch-kritischen Klopstock-Gesamtausgabe, die an der Hamburger Universität erarbeitet wird
»Lyrische Sylbenmasse«, Klopstocks Handschrift © Städtische Museen Quedlinburg

1745, in seiner lateinischen Rede zum Schulabschluss an der Fürstenschule Pforta befand der 21-jährige Klopstock, es sei an der Zeit für ein deutschsprachiges Werk von nationalem Rang. Klopstock wusste, wem er diese Aufforderung ins Stammbuch schrieb: sich selbst. Seit 1739 arbeitete er bereits am „Messias“, dessen erste drei Gesänge 1748 in den „Bremer Beiträgen“ erschienen.

Mit dieser empfindsamen Darstellung der Leiden, des Todes und der Auferstehung Christi in freirhythmischen Hexametern läutete Klopstock ein neues Zeitalter des Dichtens im Zeichen des Gefühls und des hohen Tons ein. Der Dichter trat in Konkurrenz zum Prediger, das Gedicht in Konkurrenz zur Bibel.

Im Chor der europäischen Nationalliteraturen des 18. Jahrhunderts gab Klopstock der deutschen Dichtung eine neue, wettbewerbsfähige Stimme und ein neues, unverwechselbares Gepräge. Er hat Dichtung als eine das Ohr und das Herz ansprechende, bewegliche und bewegende Rede begriffen und geformt.

Abgeschlossen wurde „Der Messias“ erst 1773, nach über dreißig Jahren Arbeit, 20 Gesängen und annähernd 20 000 Versen. Darüber hinaus schuf Klopstock ein umfangreiches Werk an Oden und Dramen sowie an ästhetischen und poetologischen Abhandlungen, wie zu dichten, und sprachtheoretischen Traktaten, wie zu schreiben und zu sprechen sei, um die deutsche literarische Kultur zu heben. Zudem erfand er eine seltsame, an der gesprochenen Sprache orientierte Rechtschreibung, die sich nicht durchsetzen konnte. Das Publikum war irritiert.

Klopstock war der Tausendsassa und Alleskönner eines selbstbewussten Dichtens aus Begeisterung und Inspiration, Handwerk und Kennerschaft. Statt brav nach der Tradition zu reimen, betrat er literarisches Neuland: Er experimentierte mit rhythmischen Mustern auf antiken und antikisierenden Strophen- und Versformen. Er wiederbelebte das Epos und die Ode, von den Versmaßen bevorzugte er den Hexameter. Freundschaft und Liebe, Natur und Gott, Ewigkeit und (Zeit-)Geschichte, die Götter der Griechen und die Götter der Germanen, selbstverständlich die Dichtung als „heilige Poesie“, und ebenso selbstverständlich der Dichter als Lenker und Leiter, als Prophet und Erlöser: Das waren Klopstocks Themen und Motive.

Um sich auf dem literarischen Markt gegen die schreibende Konkurrenz zu behaupten, erprobte Klopstock gewinnbringende (Selbst-)Vermarktungsstrategien und öffentlichkeitswirksame (Selbst-)Inszenierungen: Pränumerationen, Subskriptionen und Vorschläge, wie an Kaiser Joseph II., zur Einrichtung von Stipendien für Künstler. Er warb und netzwerkte mit Lesereisen, die er und Freunde unternahmen, mit Briefen und Besuchen.

Der dänische König Frederik V. und Markgraf Karl Friedrich von Baden griffen Klopstock zur Fertigstellung des „Messias“ finanziell unter die Arme. Dessen ungeachtet hat Klopstock die Französische Revolution begeistert begrüßt. Die blutige Wirklichkeit der Revolution nach der Enthauptung des französischen Königs Ludwig XVI. hat Klopstock jedoch tief enttäuscht, was auch in seiner Dichtung greifbar ist. Der Freund und Protegé gekrönter Häupter behielt dennoch zeitlebens sein Patent als Ehrenbürger der Französischen Republik.

Doch nicht nur Klopstocks Werk faszinierte die Zeitgenossen, auch seine Persönlichkeit trug dazu bei, dass er bei Frauen und Studenten hoch im Kurs stand. Zeitgenossen berichten von Verzückungen und Weinekstasen bei Klopstock-Lesungen, zumal wenn der Meister höchstselbst seiner andächtigen Gemeinde vortrug. Dagegen war für seine frommen Förderer, wie für den Zürcher Theologen und Dichter Johann Jacob Bodmer, schwer zu ertragen, dass der Dichter des „Messias“ den Damen, dem Wein und dem Sport zugeneigt war, dass er begeistert ritt, er im Sommer nackt baden ging und im Winter kunstvoll und wagemutig Schlittschuh lief.

Klopstock war ein Moderner oder Modernisierer, ein Neuerer: empfindsamer Dichter, gewiefter Geschäftsmann in Sachen Dichtung, glamouröser Popstar in einem, der sein Auftreten als Genie von höheren Gnaden zum Markenzeichen machte. Dass er als alternder Dichter keine Impulse mehr setzen konnte, tat den anhaltenden und durchaus unterschiedlichen Wirkungen seiner Literatur aus den frühen und mittleren Jahren keinen Abbruch.

Klopstock muss als eine solitäre Figur auf dem literarischen Markt seiner Zeit betrachtet werden. Mit seinem Person und Dichtung einschließenden Werk hat er nicht nur die Zeitgenossen begeistert und aufgeregt. Auch auf die moderne und die zeitgenössische Literatur, vor allem auf die Lyrik, hat er gewirkt und wirkt er noch immer.